Donnerstag, 30.09.2010   --- Die Neisseregion ist knapp an einer erneuten Hochwasserkatastrophe vorbeigeschrammt ---

Aktueller Stand - Donnerstag
Bei der Lausitzer Neiße hat in den gestrigen Abendstunden der Scheitel Bad Muskau erreicht, in Görlitz ist bei sinkendem Pegel die Alarmstufe 2, der Pegel Zittau fällt auch weiterhin bei derzeit Alarmstufe 1.
 

Aktuelle Informationen - 30.09.2010   (Quelle: sz-online.de)

Leubaer hoffen auf baldigen Hochwasserschutz

So stand gestern noch das Wasser im Hof des Autohauses Thomas, zeigt Kfz-Mechatroniker Falko Müller. Das Autohaus hat aber geöffnet. Foto: Dornich

Für Bernd Lange und seine Frau Kerstin gab es am Dienstag eine jähe Urlaubsunterbrechung. Sie wollten sich eigentlich seit Mitte vergangener Woche bis diesen Sonnabend in Passau etwas von den Strapazen nach dem August-Hochwasser erholen. „Dienstag um sieben Uhr hat unsere Tochter angerufen“, erzählt Frau Lange. Da konnte sie nichts mehr halten. Und da die B99 gesperrt war, gab es nur die Möglichkeit, über Bernstadt und Kiesdorf und dann die Betonstraße lang nach Leuba zu fahren. Tochter, Schwiegersohn, Kerstin Langes Mutter Christa Scheibe, Nachbarn und die Feuerwehr hatten die ganze Nacht zuvor gegen das erneute Hochwasser gekämpft. „Wir sind nervlich und körperlich am Ende“, sagt Christa Scheibe. Zumal die von den August-Hochwassern betroffenen Räume jetzt soweit getrocknet waren, dass sie hätten wiederhergerichtet werden können. Langes Haus liegt am tiefsten zwischen Neiße und der Hauptstraße, so drückt das Wasser von zwei Seiten auf das Grundstück. Durch den Einsatz dreier Pumpen konnte aber das erneute Eindringen ins Haus weitgehend verhindert werden. Die Fußböden wurden „nur“ feucht.

Nebenan schleppt Harald Hüttig gerade die vollgesogenen Sandsäcke aus dem Haus. 120 bis 150 werden es sein, schätzt er. Auch er hat von Montagabend an bis Dienstag früh gemeinsam mit seinem Sohn gepumpt, um das Wasser halbwegs in Griff zu kriegen. „Die Versicherung zahlt bestimmt kein zweites Mal“, sagt er – und: „Zum Glück wohnen wir oben.“ Insgesamt sind über 20 Häuser betroffen, besonders auch wieder der Reiterhof Menge. Das Wasser steht noch im ganzen Hof. Die Pferde wurden allerdings schon im August weggebracht und der Besitzer ist bei Verwandten untergekommen.
Klaus-Dieter Gothan vom Autohaus Thomas und seine Mitarbeiter laufen auch alle in Gummistiefeln herum. Der Hof ist noch voller Wasser, im Verkaufsraum stand es Dienstag früh etwa fünf Zentimeter hoch, in der Werkstatt circa 20 Zentimeter. In einem Büroraum läuft der Trockner. „Am Dienstag hat eine Frau von der Handwerkskammer angerufen und gefragt, ob ich ihn noch brauche“, erzählt er. Ja, habe er gesagt, jetzt wieder und: „Sie können froh sein – er ist nicht abgesoffen.“

Leuba ist in diesem Jahr bereits zum fünften Mal vom Unwetter betroffen, berichtet Wehrleiter Frank Kretschmer. Das erste Mal Pfingstmontag, dreimal im August und nun wieder. Der Damm ist zum zweiten Mal arg beschädigt. Egal, mit wem man redet, alle sagen: „Wir hoffen, dass nun endlich der Hochwasserschutz Priorität hat.“


Hochwasserlage entspannt sich langsam

Ausdauernder Nieselregen und schlechte Sicht auf den Straßen erforderte gestern erhöhte Aufmerksamkeit von den Autofahrern, wie hier auf der B178 bei Ottenhain. Foto: Weber

Seit Sonnabendnachmittag regnet es in der Region. Ab heute soll damit vorerst Schluss sein, berichtet der Deutsche Wetterdienst. Die Linienbusse der KVG fahren laut Auskunft des Verkehrsunternehmens seit gestern früh überall wieder planmäßig. Alle gesperrten Straßen im Altkreis Löbau-Zittau sind nach Auskunft des Landkreises ebenfalls wieder befahrbar. Nun können auch die Bürger von Bernstadt wieder auf der B99 Richtung Görlitz und Zittau fahren.

Frank Halang, der in Neugersdorf täglich das Wetter beobachtet, atmet ebenfalls auf: Seit Beginn des aktuellen Niederschlagsmarathons ab Sonnabend hat er 107,5 Liter Wasser pro Quadratmeter in Neugersdorf gemessen. Seither hatte es ununterbrochen geregnet. „Der langjährig gemessene Mittelwert für September liegt eigentlich bei knapp 58,5 Liter pro Quadratmeter“, so Halang. Somit ist diesen Monat bereits über das Doppelte an der normalen Niederschlagsmenge gefallen. Insgesamt tröpfelten bis zum gestrigen Tag im September 143,5 Liter herunter. Das entspricht laut Halang 245 Prozent vom normalen Niederschlagswert des 9. Monats. Allein Montag hat er fast 44Liter gemessen. Noch schlimmer war es allerdings im September 2001, als über 178 Liter auf die Erde prasselten.

Im Vergleich zur August-Flut sei der Regen jetzt allerdings gemäßigt ausgefallen: Im August waren in Neugersdorf 305,5 Liter Regen gefallen. Das ist laut Halang der mit Abstand höchste Wert in der 50-jährigen Betrachtungszeit der Schulwetterwarte. Heinz Schuster, der seit 50 Jahren das Wetter in Neugersdorf beobachtet, hat in seinen Unterlagen nach ähnlichen Katastrophen in der Region geblättert. „Ganz schlimm war die Flut am 14. Juni 1880, die Niedercunnersdorf, Bernstadt, Schönau-Berzdorf und Zittau betraf“, entnimmt Schuster seinen Unterlagen. 80 Menschen ertranken, als Mini-Bäche anschwollen. Die Bernstädter Pließnitz vernichtete 14 Häuser. Auch 1931 und 1978 kam es zu großen Unwettern mit umfangreichen Regenfällen und Schäden.