Über die Hilfe für die Opfer
des Hochwassers bleiben die politischen Lager in Sachsen
uneinig. Während die Opposition auf deutlich mehr Geld vom
Staat pocht, sieht die Landesregierung die Bürger in der
Verantwortung. Ministerpräsident Stanislaw Tillich rief die
Sachsen zu mehr Vorsorge gegen Unwetterschäden auf. In einer
Regierungserklärung vor dem Landtag sagte Tillich, das Land
müsse sich künftig auf mehr Wetterkapriolen wie Sturm,
Starkregen, Hochwasser oder Dürre einstellen. Dies
erfordere, dass sowohl Privatleute als auch Unternehmen und
Kommunen sich ausreichend versicherten. "Deshalb steht auch
jetzt wie 2002 und bei vergleichbaren Ereignissen an erster
Stelle die Frage nach der Eigenvorsorge, nicht die nach
staatlicher Hilfe", sagte Tillich.
Keine weiteren Zusagen
Tillich
kritisierte insbesondere vom Hochwasser 2010 betroffene
Kommunen ohne ausreichenden Versicherungsschutz. "Keine
Versicherung für öffentliches Eigentum abzuschließen, ist
nahezu unverantwortlich, wenn die Gemeinde nicht in der Lage
ist, den entstandenen Schaden selbst zu schultern." Mehr
finanzielle Hilfen für die Betroffenen kündigte Tillich
nicht an. Bei der diesjährigen Flut habe es sich, im
Gegensatz zur Jahrhundertflut 2002, nicht um eine nationale
Katastrophe gehandelt, sagte er. Er hob stattdessen nochmals
das Hilfsprogramm der Landesregierung hervor, das neben fünf
Millionen Euro Soforthilfe zinsvergünstigte Darlehen und
geänderte Förderprogramme umfasst. Tillich sicherte allen
Betroffenen umfangreiche Hilfe zu. Genaueres sagte er nicht.
Acht-Punkte-Programm für
besseren Hochwasserschutz
Für den künftigen
Hochwasserschutz präsentierte der Regierungschef ein
Acht-Punkte-Programm. In diesem ist unter anderem
festgelegt, dass die Meldesystem überprüft werden, die
Zusammenarbeit mit den polnischen und tschechischen Behörden
ausgebaut und eine gemeinsame Hochwasserschutzstrategie für
die Lausitzer Neiße entwickelt wird und dass solche
Großeinsätze künftig einmal im Jahr trainiert werden.
Tillich kündigte außerdem einen Versicherungsgipfel an. Bei
diesem solle ausgelotet werden, wo eine bessere Absicherung
möglich ist.
Grüne fordern naturnahen
Hochwasserschutz
In der anschließenden
Landtagsdebatte warfen die Grünen Tillich Ratlosigkeit vor.
Fraktionschefin Antje Hermenau sagte: "Es ist einfach frech,
demokratisch vorgebrachte Vorschläge anderer, wie zum
Beispiel den zur Eigenvorsorge, mit lächelnder Chuzpe als
eigenen auszugeben." Sie kritisierte die Schuldzuweisung
zwischen kommunalen und Landesbehörden und forderte
stattdessen Maßnahmen, die den Menschen künftig ein solches
Leid ersparen. Hermenau brachte unter anderem die Idee eines
sächsischen Hochwasserschutzfonds, mehr Sirenen und
Rückhalteflächen ins Spiel.
Außerdem mahnte Hermenau eine bessere Klimapolitik an. Der
Klimawandel sei nicht "Gottes Wille", sondern das Ergebnis
veränderter Lebensbedingungen, sagte die Grünen-Politikerin.
Notwendig seien nicht nur technische Maßnahmen, sondern auch
ein naturnaher Hochwasserschutz.
SPD und Linke fordern 100
Millionen Euro Hilfe
Auch Linke und SPD
kritisierten die Haltung der Landesregierung gegenüber den
Betroffenen des Hochwassers. SPD-Fraktionschef Martin Dulig
sagte, die fünf Millionen Euro seien lächerlich angesichts
der geschätzten Schäden in Höhe von 800 Millionen Euro.
Linke-Fraktionschef André Hahn forderte zusätzliche Mittel
von mindestens 100 Millionen Euro zur Schadensbeseitigung.
Hahn verlangte zudem, dass sich Sachsen im Bundesrat für
eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden stark macht.
"Wenn es um
Gerechtigkeit geht, dann muss den jetzt vom
Hochwasser Betroffenen in vergleichbarer
Weise geholfen werden wie bei der Flut vor
acht Jahren, auch wenn diesmal keine Wahlen
vor der Tür stehen." -André Hahn,
Chef der Linksfraktion
Enttäuschung bei Görlitzer
Oberbürgermeister
Der Görlitzer
Oberbürgermeister Joachim Paulick ist enttäuscht. Er sagte,
er wisse nicht, was er den Betroffenen zu Hause sagen soll.
"Die Botschaft heute lautet, es gibt keine weiteren Hilfen
mehr." Darauf aber warteten die Flutopfer. Die Betroffenen
brauchten Bares, das nicht zurückgezahlt werden muss: "5.000
Euro pro Haushalt oder Unternehmen." Der parteilose Paulick
fordert gemeinsam mit Stadtchefs aus anderen Kommunen seit
der Naturkatastrophe mehr Soforthilfe vom Freistaat.
Ministerpräsident Tillich lehnt ein Gespräch mit den
Kritikern der Fluthilfe bisher ab. Paulick hofft unterdessen
weiter, dass Tillich sich in Görlitz ein Bild von den
Hochwasserschäden macht