Unternehmer laufen Sturm  - Druck auf den sächsischen Ministerpräsidenten nimmt zu

In einem offenen Brief wenden sich nun die Unternehmer des Allgemeinen Unternehmerverbandes Zittau an den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU).
Sie bemängeln die staatliche Hilfe für die vom Hochwasser betroffenen Betriebe und Unternehmen. Hier der Brief in ungekürzter Fassung:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

noch betroffen und geschockt sehen wir auf die Folgen des August-Hochwassers 2010. Die zwischenzeitliche Berichterstattung und Diskussion über materielle Schäden und Einzelschicksale war sehr ausgiebig.

Ihrerseits und auch von Seiten anderer Verantwortlicher wurde unbürokratische und schnelle Hilfe für die Betroffenen zugesagt und gleichzeitig das Vertrauen in den Zukunftswillen der Bürger und Unternehmen bei der Beseitigung der Flutschäden und der Wiederherstellung normaler Lebensbedingungen in den betroffenen Gebieten entlang der Neiße zum Ausdruck gebracht.

Die Menschen und Unternehmen in der Region entwickeln tatsächlich größte Anstrengungen und vielfältige Aktivitäten bei der Flutschadensbeseitigung und dem Wiederaufbau. Alle erdenklichen Möglichkeiten der gegenseitigen und auch der kommunalen Hilfe werden zur Unterstützung herangezogen.

Mit großem Engagement wurde 2002 durch den Bundestag mit dem Fluthilfesolidaritätsgesetz u.a. ein Fonds „Aufbauhilfe“ mit einem Ausgabevolumen von 7,1 Milliarden Euro eingerichtet , so dass damals die Schadensbehebung schnell und wirksam angegangen werden konnte.

Wo aber bleibt die konkrete, wirksame Soforthilfe des Landes Sachsen und des Bundes heute?

Nach bisherigen Angaben belaufen sich die Schäden im Bereich des Landkreises Görlitz auf ca. 425 Millionen Euro. Dabei sind sicher aber lediglich unmittelbare materielle Direktschäden enthalten und Schäden im Rahmen von Betriebsunterbrechungen sowie andere Folgeschäden nicht erfasst.
Wir erlauben uns den Hinweis, dass die Klein-und Mittelstandsunternehmen in unserem Landkreis geringe Eigenkapitalquoten aufweisen. Unter derartigen Bedingungen sind allein zusätzliche Kredite, egal mit welchem Zinssatz, keine wirkliche Hilfe! Eher führen zusätzliche Kreditaufnahmen dann um so schneller direkt in die Insolvenz. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen hier gegen fast alles, aber eben nicht gegen Hochwasserschäden versichert waren. Ursache ist aus unserer Sicht,daß die Versicherungswirtschaft heute in erster Linie offenbar nicht mehr auf die Versicherung von möglichen Schäden, sondern eher auf die Erwirtschaftung von Renditen ausgerichtet ist!

Warum gibt es keine umgehenden finanziellen Hilfen in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen, um den betroffenen Unternehmen die möglichst zeitnahe Wiederaufnahme der Produktion und damit auch die Sicherung der Arbeitsplätze zu ermöglichen?

Bisher wurden durch das Land Sachsen Sofortmittel in Höhe von 5 Millionen Euro bereitgestellt. In Anbetracht des tatsächlich eingetretenen Schadens sind diese Mittel nicht nur unzureichend; für uns stellt sich eher die Frage ob die Menschen und Unternehmen in der Region dies als „aktive Sterbehilfe“ ansehen sollen.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (Gleichbehandlungsgrundsatz) und betrachten es als Unrecht, die Opfer einer zurückliegenden Katastrophe, wie bei der Flut 2002, besser zu stellen, als die Opfer der Flut 2010.

Viele Bürger und Unternehmen in der Region sind durch die Flutschäden ernsthaft in ihrer Existenz bedroht. Eine hohe Anzahl von Arbeitsplätzen steht auf dem Spiel. Wir erwarten, daß Sie Ihre Verantwortung als Ministerpräsident dieses Landes wahrnehmen und Ihren Amtsschwur, nämlich Schaden von den Bürgern und Bürgerinnen Sachsens abzuwenden, auch erfüllen.

Wir fordern Sie auf, unverzüglich wirksame Hilfe zu leisten und mit Ihrer Regierung in Sachsen, wie auch auf Bundesebene für den Aufbau eines angemessenen Hilfsfonds nach dem Vorbild aus dem Jahr 2002 zu kämpfen."

 

Zittau, 27.08.2010 - Vorstand des Allgemeinen Unternehmerverbandes Zittau und Umgebung